die 22 Dada–Thesen
Wenn man überhaupt etwas aus der Geschichte und damit auch aus
der Kunst lernen kann, was kann man dann von Dada lernen?
o1. Blicke nie zurück, nicht einmal auf Dada.
o2. Wenn du Dada machst, mache es jetzt.
o3. Vergiss deine Vorbilder, weil sie immer aus der Vergangenheit kommen.
o4. Vergiss deine Vorbilder nicht, denn sonst wiederholst du dich.
o5. Dada erfindet sich die Zeit neu, weiß aber nicht genau, wie das geht und was es dann ist.
o6. Der Alltag ist das Material, das zu Kunst veredelt werden muss.
o7. Ob etwas Kunst ist, weiß man erst, wenn es vorbei ist.
o8. Wenn man Kunst plant, ist es keine mehr.
o9. Wenn man Kunst nicht plant, wird es niemals Kunst.
1o. Dada hat nie behauptet, Kunst zu sein, ist es aber.
11. Der Alltag wird dadurch real, dass man ihn falsch erzählt.
12. Ein falscher Alltag ist nicht von selbst Dada, kann es aber sein.
13. Das Erzählen muss immer ein Erfinden sein.
14. Eine gute Geschichte ist besser als eine wahre.
15. Die Wahrheit ist ziemlich langweilig.
16. Weil Kunst nicht wahr ist, ist sie wahr.
17. Wahr und falsch hat nichts mit Kunst zu tun. Auch nicht mit Dada.
18. Alles über Dada steht in dem Buch von Peter Oberstmeyer „Die moderne Moderne – ein
Zeitalter des zirkulären Diskurses“. Köln 2012.
19. Dada braucht keine Bücher, sondern das Leben.
2o. Dada lebt, wenn man Dada tut.
21. „Dada tut“ sagt man nicht, das ist schlechtes Deutsch.
22. Dada als Kunst verbiegt den Alltag, bis er sich selbst ins Antlitz schauen kann.
Wer ist das neue Wir-Dada?
„Weimar ist eine Klassikerstadt, was deshalb bedauerlich ist, weil Goethe kein Dadaist sein konnte. Gotha ist eine Adelsstadt, auch wenn die Dadaisten keine Adligen waren.„
Das kann sich jetzt ändern. Die adligen Dadaistensöhne Michael von Hintzenstern (Weimar) und Constantin von Thun (Gotha) haben sich im Rahmen der Dada-Dekade 2012-2022 zusammengeschlossen. Weimar, das niemals Dada hatte, aber das Bauhaus, verbindet sich im Jahr 2014 mit Gotha, das bisher noch kein Theater hat, aber den art der stadt e.v. Allerdings kann Gotha Hannah Höch in die künstlerische Waagschale werfen, die nicht zu Unrecht als Mutter des Dada bezeichnet wurde. Das liegt nicht an ihrer unehelichen Verbindung zu Raoul Hausmann, einem der führenden Dadaisten. Hannah Höch war eine eigenständige Künstlerin, die die Collage meisterhaft beherrschte. Außerdem bewies sie durch Klugheit, Mut und Raffinesse, wie man als moderner Künstler sogar ein terroristisches System wie den Nationalsozialismus überleben und alle Kunstwerke über die Zeit retten konnte. Dieser biographische Beweis ist heute auf erstaunliche Weise wieder aktuell geworden.
Dr. Bernd Seydel